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Eine lange Geschichte / Teil 1

Am zweiten Freitag in St. Petersburg wurde meine Bankkarte am Geldautomaten eingezogen. Zum Glück geschah es in einem Vier-Sterne Hotel, in dem ich das Geld abgehoben hatte. Normalerweise bleibe ich in solchen Situationen ganz ruhig. Dieses Mal hat es mich aber richtig erwischt. Ich hatte nur noch 50 Euro. Meine Visa-Karte war unbrauchbar, weil mir meine Bank aus Versehen das falsche Datum eingraviert hatte. Kurz gesagt: Ich war in Russland, ich hatte kein Geld und am Mittwoch ging mein Zug nach Moskau. Dem jungen Mädchen an der Hotelrezeption ist nichts Besseres eingefallen, als mir die Telefonnummer der Bank in die Hand zu drücken und mich in ein Hinterzimmer zu setzen, wo ich telefonieren durfte. Ob sie das mit Ausländern, die kein Russisch können, auch so machen? Wahrscheinlich müssen sie es gar nicht. Die Gäste in diesem Hotel können keine Geldprobleme haben. Ansonsten schaffte das Mädchen gerade mal den Satz »ich weiß nicht, was ich machen kann« und, als ich vor Wut fast explodie

Kleinigkeit zum Glücklichsein

In St. Petersburg stelle ich fest, dass der Aufladegerät von meinem neuen Fotoapparat fehlt. Extra für die Reise gekauft ist die Kamera jetzt unbrauchbar. Also verbringe ich den halben Tag damit, zum Mediamarkt und wieder zurück zu fahren. Alles umsonst. Zwei DIN A4 Seiten mit Hundert Telefonnummern von Geschäften, die so was haben könnten sind ebenfalls nutzlos. Nirgendwo in dieser Stadt ist das Ding zu bekommen, auch in den spezialisierten Geschäften nicht. Ich bin verzweifelt. Einen teuren Fotoapparat will ich kein zweites Mal kaufen. Meine letzte Hoffnung ist ein riesiger Markt für die Elektrotechnik, irgendwo am Arsch der Welt. Und wirklich jeder verspricht, dass man dort Alles findet. Ich rufe Alexej an und handele mit ihm einen Preis aus. Alexej ist eigentlich ein Dipl. Kaufmann, der notgedrungen vorübergehend als Taxifahrer arbeitet. Eines Tages ist er zur Arbeit gekommen und seine Firma hat sich in Luft aufgelöst. Solche Geschichten bekomme ich hier fast jeden Tag zu hören. We

Bitte kaufen!

In Russland laufen Werbespots auch dann weiter, wenn man das Heim bereits verlassen hat – und zwar in 4-D. Das geschieht vorwiegend in den Regional- und Kurzstreckenzügen. Eines Tages sitze ich in einem der Züge, der mich von Moskau nach Sergeev Pasad bringen soll. Dort gibt es ein sehenswertes Kloster, gegründet von Sergej Radoneschskij. Also versuche ich in mich zu gehen und mich auf eine eineinhalbstündige Reise und deren tieferen Sinn einzustimmen. Kaum startet der Zug werden meine tiefsinnigen Gedanken grob unterbrochen. Im Wagon erscheint eine Frau mit großen Taschen und erläutert knapp und laut die einmaligen Vorzüge von Staublumpen und anderen Produkten für die Sauberkeit. Sie betont immer wieder, dass diese aus deutscher Herstellung stammen und ich vermute, sie meint damit unverwüstlich und lebenslang haltbar. Schade, dass damit nur die deutschen Lumpen und nicht die deutschen Männer gemeint sind. Anschließend sagt sie, dass die Interessenten sich an sie wenden können und geht

Moskau grüßt

Über Nacht zu fliegen war keine gute Idee.
 Richtig ausschlafen werde ich wahrscheinlich erst in St.Petersburg. Dort habe ich ein Hotel. Hier in Moskau habe ich die Realität. Das heißt ein ca. 2x2 qm. Zimmer, in dem meine Freundin, ihr Mann, ihr Kind und ich schlafen und wohnen. Mein Koffer muss draußen im Flur bleiben. Die schäbige Toilette, das Bad und die winzige Küche werden mit einer weiteren Familie geteilt. Dazu gehört ein Säufer, der seinen Job als Lastfahrer verloren hat, eine Frau, die irgendwelche Tabletten schluckt, während sie wie eine lebende Leiche umherwandert und ein Kind, das mir am meisten Leid tut. Als der Mann sie geschlagen hat, dachte ich, dass Moskau vom Erdbeben der Stärke 5 erschüttert wird. Einmischen darf man sich nicht. Dagegen haben beide was. Es würde auch nichts bringen.
 Als ich heute Nacht mit voller Blase aufgestanden bin, durch den Türspalt gesehen habe, dass auf der Toilette jemand scheinbar erstarrt ist und deswegen gezwungen war ins Bad auszuweich