Die Reise geht zu Ende.
Drei Fragen wollte ich in diesen drei Monaten beantwortet haben. Drei Fragen, die mich nicht nur seit einer Ewigkeit beschäftigen, sondern auch mein Tun seit einer Ewigkeit beeinträchtigen.
Drei Fragen, die Alles oder Nichts bedeuten können, denn keiner hat mir versprochen, dass ich die Antworten in diesen drei Monaten finde. Doch ich musste nicht suchen. Sie lagen zum Abholen bereit.
Zum Ersten wollte ich wissen, ob mein Wunsch für einige Jahre nach Russland zu gehen, eine »Mirage« aus unerfüllten Jugendräumen oder eine reale Chance war. Weder noch, würde ich heute sagen. Vielleicht wäre es eine reale Chance gewesen, wenn es damals in Russland keine dramatische Wende gegeben hätte, die das Volk in eine Situation zwang, auf die es nicht vorbereitet war. Ich mag Russland und die Menschen dort nach wie vor. Doch es hat für mich wenig mit dem Land zu tun, das ich '90 verlassen musste.
Erzwungener Kapitalismus ohne sozialen Aspekt macht mir Angst, die ich nur für kurze Zeiten und mit Deutschland im Rücken überwinden kann. Die Restpotenziale, die noch da sind, möchte ich trotzdem unterstützen und mitnehmen. Mit Potenzialen meine ich die akademische Ausbildung und die Professoren der alten Schule, die leider auch schon alt geworden sind. Die Menschen, die ihr Leben lang nur einer Sache treu geblieben sind, und trotz der allgemeinen Tendenz, das Haben nicht über Alles stellen, was Ihnen heilig ist, verdienen heute an einer renomierten Akademie umgerechnet 200 Euro. Das ist weniger, als eine Putzfrau an der gleichen Akademie verdient. Natürlich haben sie andere Einnahmequellen. Wie soll man hier sonst überleben!?
Und dann soll es noch die Reform nach dem westlichen Vorbild geben, die eine sechsjährige erstklassige Ausbildung schrumpfen lässt. Ich würde es mir wünschen, dass das Land weniger nach Westen schaut, um die schlechten Beispiele rauszupicken, sondern eigene Potenziale abseits von Erdöl und Gas erkennt und anerkennt.
Zum Zweiten konnte ich dort für mich vielleicht die schwierigste Frage beantworten. Wo liegt die Schnittstelle zwischen Kunst und Design? Mit der banalen Aussage, das Eine ist angewandte Kunst und das Andere vollkommen frei, wollte ich mich nicht abfinden. Das würde bedeuten, dass es keine wirkliche Schnittstelle gibt. Deswegen habe ich mir eine russische Akademie ausgesucht, an der Kunst und Design gleichzeitig unterrichtet werden, bzw. eine Symbiose eingehen.
Die Schnittstelle liegt für mich in der Analyse und deren Ergebnissen. Der Kunstunterricht, an dieser Akademie ist nicht klassisch akademisch, sondern klassisch analytisch, oder methodisch, was später im Design übernommen werden kann. Hier werden die Gesetze des Sehens nahegelegt und geschärft und außerdem werden Methoden erklärt. Es geht nicht um die intuitive ästhetische Wahrnehmung und Wiedergabe. Es geht viel weiter als nur die Anordnung von Objekten und deren Wirkung. Die Ausbildung vermittelt Wissen, mit dem man sowohl in der freien Kunst, als auch im Design die gleichen Ziele erreichen kann. Es werden visuelle Grundlagen vermittelt. Außerdem wird das bereits vorhandene visuelle Gefühl so mit Übungen geschärft, dass man in der Lage ist, die Grenzen schnell zu überschreiten, was wiederum zur außergewöhnlichen Kreativität und Arbeitsergebnissen verhilft. Es ist ein universelles Wissen, das aber über reine Theorie nicht vermittelt werden kann. Für mich war der kurze Einblick trotzdem sehr wertvoll, weil ich es als beruhigend empfinde, dass man die Wirkung nicht nur spüren, sondern auch in vielen Aspekten verstehen kann.
In Deutschland wird leider für diese Grundlagen zu wenig Zeit eingeräumt. Dafür habe ich in Deutschland gelernt, was angewandtes Design wirklich ist. In erster Linie ist Design ein Werkzeug mit dem man Probleme löst und Prozesse optimiert, und dabei so sparsam, wie möglich mit Ressourcen umgeht.
Russland ist kein Land, in dem die Ressourcen jeweils knapp wurden. Sparsamkeit ist auch keine Stärke, die hier oft anzutreffen wäre. Wenn die Kürzung der Studienzeit die erste Lehre in diesem Punkt sein sollte, dann bezweifle ich, dass dieser Ansatz richtig verstanden worden ist. Schließlich beinhaltet die Fähigkeit Probleme zu lösen nicht unbedingt das fehlende Wissen darüber, wie man es tut. Das gilt für Deutschland genauso.
Auf die dritte Frage, was für mich Kunst bedeutet, habe ich ebenfalls Antworten gefunden. Interessanterweise habe ich das weniger über mein eigenes Tun, sondern über die Leidenschaft eines Künstlers verstanden, der stundenlang über Matisse, Klee, Picasso, Cezanne... reden konnte. Trotz des jahrelangen Unterrichts in Kunstgeschichte habe ich zum ersten Mal verstanden, was diese Künstler wirklich geschaffen haben. Natürlich hat es viel mit Analysis, mit Komposition und mit Farben zu tun und erklärt noch ein Mal mehr den Weg, den man an dieser Schule geht. Ich sehe mich ganz am Anfang des Weges.
Leider ersetzt das Wissen nicht die Erfahrung, die man erst über das Tun erlangt.
Drei Fragen, die Alles oder Nichts bedeuten können, denn keiner hat mir versprochen, dass ich die Antworten in diesen drei Monaten finde. Doch ich musste nicht suchen. Sie lagen zum Abholen bereit.
Zum Ersten wollte ich wissen, ob mein Wunsch für einige Jahre nach Russland zu gehen, eine »Mirage« aus unerfüllten Jugendräumen oder eine reale Chance war. Weder noch, würde ich heute sagen. Vielleicht wäre es eine reale Chance gewesen, wenn es damals in Russland keine dramatische Wende gegeben hätte, die das Volk in eine Situation zwang, auf die es nicht vorbereitet war. Ich mag Russland und die Menschen dort nach wie vor. Doch es hat für mich wenig mit dem Land zu tun, das ich '90 verlassen musste.
Erzwungener Kapitalismus ohne sozialen Aspekt macht mir Angst, die ich nur für kurze Zeiten und mit Deutschland im Rücken überwinden kann. Die Restpotenziale, die noch da sind, möchte ich trotzdem unterstützen und mitnehmen. Mit Potenzialen meine ich die akademische Ausbildung und die Professoren der alten Schule, die leider auch schon alt geworden sind. Die Menschen, die ihr Leben lang nur einer Sache treu geblieben sind, und trotz der allgemeinen Tendenz, das Haben nicht über Alles stellen, was Ihnen heilig ist, verdienen heute an einer renomierten Akademie umgerechnet 200 Euro. Das ist weniger, als eine Putzfrau an der gleichen Akademie verdient. Natürlich haben sie andere Einnahmequellen. Wie soll man hier sonst überleben!?
Und dann soll es noch die Reform nach dem westlichen Vorbild geben, die eine sechsjährige erstklassige Ausbildung schrumpfen lässt. Ich würde es mir wünschen, dass das Land weniger nach Westen schaut, um die schlechten Beispiele rauszupicken, sondern eigene Potenziale abseits von Erdöl und Gas erkennt und anerkennt.
Zum Zweiten konnte ich dort für mich vielleicht die schwierigste Frage beantworten. Wo liegt die Schnittstelle zwischen Kunst und Design? Mit der banalen Aussage, das Eine ist angewandte Kunst und das Andere vollkommen frei, wollte ich mich nicht abfinden. Das würde bedeuten, dass es keine wirkliche Schnittstelle gibt. Deswegen habe ich mir eine russische Akademie ausgesucht, an der Kunst und Design gleichzeitig unterrichtet werden, bzw. eine Symbiose eingehen.
Die Schnittstelle liegt für mich in der Analyse und deren Ergebnissen. Der Kunstunterricht, an dieser Akademie ist nicht klassisch akademisch, sondern klassisch analytisch, oder methodisch, was später im Design übernommen werden kann. Hier werden die Gesetze des Sehens nahegelegt und geschärft und außerdem werden Methoden erklärt. Es geht nicht um die intuitive ästhetische Wahrnehmung und Wiedergabe. Es geht viel weiter als nur die Anordnung von Objekten und deren Wirkung. Die Ausbildung vermittelt Wissen, mit dem man sowohl in der freien Kunst, als auch im Design die gleichen Ziele erreichen kann. Es werden visuelle Grundlagen vermittelt. Außerdem wird das bereits vorhandene visuelle Gefühl so mit Übungen geschärft, dass man in der Lage ist, die Grenzen schnell zu überschreiten, was wiederum zur außergewöhnlichen Kreativität und Arbeitsergebnissen verhilft. Es ist ein universelles Wissen, das aber über reine Theorie nicht vermittelt werden kann. Für mich war der kurze Einblick trotzdem sehr wertvoll, weil ich es als beruhigend empfinde, dass man die Wirkung nicht nur spüren, sondern auch in vielen Aspekten verstehen kann.
In Deutschland wird leider für diese Grundlagen zu wenig Zeit eingeräumt. Dafür habe ich in Deutschland gelernt, was angewandtes Design wirklich ist. In erster Linie ist Design ein Werkzeug mit dem man Probleme löst und Prozesse optimiert, und dabei so sparsam, wie möglich mit Ressourcen umgeht.
Russland ist kein Land, in dem die Ressourcen jeweils knapp wurden. Sparsamkeit ist auch keine Stärke, die hier oft anzutreffen wäre. Wenn die Kürzung der Studienzeit die erste Lehre in diesem Punkt sein sollte, dann bezweifle ich, dass dieser Ansatz richtig verstanden worden ist. Schließlich beinhaltet die Fähigkeit Probleme zu lösen nicht unbedingt das fehlende Wissen darüber, wie man es tut. Das gilt für Deutschland genauso.
Auf die dritte Frage, was für mich Kunst bedeutet, habe ich ebenfalls Antworten gefunden. Interessanterweise habe ich das weniger über mein eigenes Tun, sondern über die Leidenschaft eines Künstlers verstanden, der stundenlang über Matisse, Klee, Picasso, Cezanne... reden konnte. Trotz des jahrelangen Unterrichts in Kunstgeschichte habe ich zum ersten Mal verstanden, was diese Künstler wirklich geschaffen haben. Natürlich hat es viel mit Analysis, mit Komposition und mit Farben zu tun und erklärt noch ein Mal mehr den Weg, den man an dieser Schule geht. Ich sehe mich ganz am Anfang des Weges.
Leider ersetzt das Wissen nicht die Erfahrung, die man erst über das Tun erlangt.
Westen und Osten können beide enorm profitieren, wenn sie voneinander lernen - und zwar nicht, indem sie die Fehler wiederholen, die den jeweils anderen in den Ruin getrieben haben, sondern indem sie die vielen richtigen Dinge des jeweils anderen auf die ureigene Weise weitertragen.
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